Yoga und Religion – passt das zusammen oder muss man es trennen?

Mein persönlicher Erfahrungsbericht – Teilnehmerin der Yogalehrerausbildung bei der YM

Ich habe dieses Thema gewählt, um aus meiner Sicht zu berichten, wie sich Yoga auf die Ausübung meiner Religion auswirkt.

Es gibt so gut wie keine Veröffentlichungen zur Thematik, so dass ich wirklich aus meinen persönlichen Erkenntnissen einen Text zusammenstellen möchte, der Außenstehenden Einblick in diese Thematik vermittelt und mir Klarheit darüber verschafft, wo ich mich auf meinem Weg befinde.

Als ich im Frühjahr 2019 den Dokumentarfilm „Yoga- Die Kraft des Lebens“ von Stéphane Haskell im Kino sah, berührten mich seine Erlebnisse sehr tief. Besonders traf mich sein Bericht, den er in Jerusalem von einer jüdisch-orthodoxen Yoga praktizierenden Familie abgab. Die Frau der Familie erklärte, dass sie erst durch Yoga ein tieferes Verständnis für ihre Religion erlangte und dass die Disziplin für die Einhaltung der religiösen Regeln und Rituale, die jedem, der Religion bewusst praktiziert, bekannt sind, durch Yoga gestärkt wird.

Ich selbst, praktizierende Muslima, bin 2013 zum Islam konvertiert, übe Yoga seit drei Jahren. Seit diesem Film lassen mich die Verbindungen zwischen Yoga und meiner Religion nicht los. Ich hatte Yoga nie zuvor aus dem Blickwinkel meiner Religion wahrgenommen. Für mich war Yoga Körpersport, der meinen Geist beruhigte und mir Zufriedenheit schenkte, aber nichts, was mit meiner Religion zu tun hatte.

Als ich die Yogalehrerausbildung begann, sah und sehe ich mich vor die Aufgabe gestellt, einen Weg zwischen Beidem zu finden. Ich weiß, wenn ich eine Harmonie herstellen kann, dann geht es mir besser und die Unsicherheiten werden sich Schritt für Schritt auflösen.

Kurze Beschreibung aus meinem Alltag als praktizierende Muslima mit liberaler Haltung zum Islam:

Ich habe gelernt, wie man betet und versuche das auch fünfmal am Tag zu praktizieren. Dafür stehe ich morgens vor Sonnenaufgang auf, bereite mich auf das Gebet vor, bete auf einem Gebetsteppich, dann rolle ich meine Yogamatte aus und meditiere kurz. Anschließend praktiziere ich einige Asanas, um mich auf den Tag einzustellen. In dieser ruhigen Zeit gestaltet sich der Übergang zwischen Religion und Yoga fließend, so dass ich sehr viel Kraft aus diesem Ritual schöpfe.

Ich habe in den vergangenen 6 Jahren im Ramadan gefastet. Das bedeutet 30 Tage zwischen Morgen- und Abendgebet weder zu essen, noch zu trinken. Wenn der Ramadan im Juli oder August lag, dann waren das mitunter 15 bis 16 Stunden am Tag.

Ich lese den Koran, glaube an den alleinigen Gott Allah und an seinen Propheten Mohammed (s.a.w.). Aus diesem Grund ist es mir versagt und versage ich mir, andere Gottheiten anzubeten.

Ich bezeichne mich als liberal, was die Auslegung des Korans betrifft und gestalte mein Leben offen und tolerant. Gern begebe ich mich auf Spuren anderer Religionen, Traditionen und Überlieferungen, doch niemals ohne meine Religion außer Acht zu lassen.

Konservative moslemische Verbände sprechen in vielen Teilen der Welt ein Verbot des Yoga aus, weil sie damit eine Unterwanderung des Islam befürchten. Nicht zu Unrecht, da in vielen Yogaschulen das Anbeten bestimmter Gottheiten und Lehren des Hinduismus bzw. des Buddhismus verbreitet werden.

Wie kann man generell als „westlicher“ Gläubiger, ob Christ, Moslem oder Jude, seine Religion mit dem Yoga vereinbaren?

Jeder Yogi sollte seinen Verstand benutzen um herauszufinden, was vereinbar ist oder nicht. Nur der Mensch allein weiß, in welche Richtung es ihn zieht. Das kann kein Gott, Guru oder Gelehrter für ihn übernehmen.

Für mich steht außer Frage, dass ich meine Religion als Ganzes angenommen habe. Es ist daher unmöglich etwas „abzuwählen“, weil man damit Schwierigkeiten hat. Es ist ein steter Prozess des Lernens, des Erkennens, des Annehmens, des Wachsens, der Verfehlungen, der Rückschritte und der ganz persönlichen Erfolge und Niederlagen.

Yoga stellt für mich ein Korrelat zu meiner Religion dar.

Positive Auswirkungen des Yoga auf meine Religion

Ich habe gelesen, dass Yoga aus einem Christen einen besseren Christen, aus einem Juden einen besseren Juden und aus einem Moslem einen besseren Moslem macht.

In Bezug auf die Disziplin, was die Ausübung meiner Religion betrifft, hat Yoga mir geholfen mich zu konzentrieren und im hier und jetzt zu beten. Mein Körper ist stärker geworden und dadurch bekommt das Fasten für mich eine andere Dimension. Ich betrachte das Fasten nicht mehr nur als Pflicht, sondern nehme intensiv wahr, was mit mir geschieht und welchen Einfluss das Fasten auf meinen Körper und meine Seele nimmt.

Auf keinen Fall außer Acht möchte ich die Ernährung lassen. Als Muslima verzehre ich kein Schweinefleisch, trinke keinen Alkohol und lehne Rauschmittel ab. Alles, was ein Zuviel und alles, was ein Zuwenig darstellt und dem Körper schadet, gilt auch im Islam als inakzeptabel. Aus yogischer Sicht habe ich bereits eine relativ optimale Ernährungsform, die mich bestärkt, das richtige für mich und meinen Körper zu tun.

Im Moment erfüllt mich tiefe Dankbarkeit über den Werdegang meiner persönlichen Entwicklung und gegenüber den Dingen, die ich erlernen und kennenlernen darf.

Der Mensch sollte nie aufhören, neue Wege zu gehen. Dabei möge ihn stets sein Bewusstsein und sein Verstand leiten.

von Susan, Yogalehrerausbildung 200h