Viele Menschen verweilen in der Illusion der Unvollkommenheit dieser Welt – Kriege, Krankheiten, wirtschaftliche Instabilität, hohe Kriminalitätsrate, ungünstige Wetterbedingungen usw. Stellen wir uns erstmal vor, wie es wohl wäre, wenn ein echtes Paradies auf der Erde aufftreten würde, wie es in den heiligen Schriften verschiedener Religionen beschrieben worden ist – alle würden friedlich und in Wohlstand miteinander leben, draußen würde es immer ein gutes Wetter geben und überall würde es nur Wohlstand und Aufschwung herrschen. Wozu jedoch diese unbegründeten Spekulationen, es wurde bereits ein ähnliches Experiment durchgeführt, allerdings nicht mit Menschen, sondern mit Mäusen und das Ergebnis des Versuchs fiel ziemlich unerwartet aus.

Der amerikanische Wissenschaftler John Calhoun hat im Jahre 1972 ein Experiment namens “Universe-25” durchgeführt. Er wollte analysieren, wie Mäuse unter idealen Bedingungen leben und sich entwickeln würden – bei vollem Wohlstand an Wasser, Nahrung, Lebensraum usw. Er schuf ein echtes “Mausparadies” – in einem zwei Quadratmeter großen Behälter wurde eine Raumtemperatur von +20 C aufrechterhalten, die einen idealen Temperaturmodus für Mäuse darstellte. Die Nagetiere hatten reichlich an Wasser und Futter. Der Tank wurde sauber gehalten, die Nagetiere waren keinem Stress ausgesetzt, die Möglichkeit eines Angriffs durch Raubtiere oder das Auftreten von Krankheiten wurde ausgeschlossen. Das Futter- und Wasserversorgungssystem war perfekt eingestellt, die Absicht war so, dass mehr als neuntausend Mäuse gleichzeitig essen konnten und mehr als sechstausend Mäuse gleichzeitig Wasser trinken konnten. Und das trotz der Tatsache, dass die maximale Anzahl der für die gesamte Zeit an dem Experiment beteiligten Mäuse unter Berücksichtigung der Nachkommen bei etwa 2200 Individuen lag. Das Experiment begann damit, dass vier Paare gesunder Mäuse in den Behälter gesetzt wurden. Dann begann das Allerinteressanteste.

John Calhoun identifizierte anschließend vier Stufen des Experiments. Die erste Phase war die Zeit, in der die im Behälter sich befindenden Mäuse damit begannen, sich den neuen Lebensraum anzupassen. Dann kam die zweite Stufe – die Phase einer aktiven Reproduktion von Individuen. Nach 315 Tagen des Experiments wurde eine reduzierte Geburtenrate festgestellt – so begann die dritte Phase, als die Geburtenrate der Mäuse zu sinken und die Mausgesellschaft langsam zu degradieren begann. Mäuse begannen miteinander zu streiten unter Voraussetzung der absoluten Fülle an Nahrung und des genügenden Wohnraumes. Sie begannen sich in “Kasten” zu unterteilen. Ältere Individuen begannen jüngere zu unterdrücken und zu bedrängen. Jungere Arten wurden angegriffen und man konnte Wunden an ihren Körpern und rausgerissene Fellklumpen sehen.

Unter idealen Existenzbedingungen, bei vollem Vorrat an Wasser und Nahrung, begannen die Mäuse buchstäblich vorm Nichtstun verrückt zu werden. Auch die idealen Lebensbedingungen trugen dazu bei, dass die Lebenserwartung anstieg und erwachsene Individuen nicht starben, wodurch die sozialen Rollen für der jüngeren Generationen nicht frei wurden. Erwachsene Individuen hingegen sahen, dass die Anzahl der jungeren Generation zunahm, hatten diese permanent unterdrückt und hinderten diese dadurch, sich im Einklang mit der “Mäusegesellschaft” zu entwickeln. Junge Individuen, die von älteren bedrängt wurden, wuchsen geistig behindert, träge und infantil auf. Sie wurden passiv und haben ihre schwangeren Weibchen nicht beschützt. Manche von  jungen Individuen wurden hingegen unangemessen aggressiv und griffen alle anderen an. Weibchen, denen die Fürsorge durch kindliche und passive Männchen entzogen war, begannen sich selber zu verteidigen und sich dadurch „männliche“ Verhaltenszüge anzueignen. Ihre Aggressivität stieg an und erreichte die Stadie, wo sie sich nicht mehr beherrschen konnten und dann auch gegenüber den eigenen Nachkommen Aggressionen zeigten.

Bald begannen die meisten Weibchen ihre Nachkommen zu töten oder weigerten sich vollständig sich fortzupflanzen. Andauernde Konflikte unter Mäusen und ihre geistige Degradierung führten dazu, dass die Sterblichkeit anstieg und die Geburtenrate stark absank. So begann die vierte Stufe des Experiments – die Todesphase. In der “Mäusegesellschaft” erschien eine neue Mauskaste, die der Wissenschaftler als “Schönlinge” bezeichnete. Diese Individuen waren sozial inaktiv und zeigten nicht einmal den Wunsch, sich zu paaren. Sie haben nicht gekämpft, vermieden jegliche Konflikte, interagierten in keiner Weise mit der Mehrheit. Sie führten einen passiv-müßigen Lebensstil: sie aßen, schliefen und verbrachten den Rest ihrer Zeit interessanterweise damit, sich um ihr Aussehen zu kümmern – sie haben sich geputzt, ihr Fell geglättet usw. Es gab immer mehr Weibchen und Männchen, die die Fortpflanzung ablehnten, ihre Zahl stieg von Tag zu Tag. Bei den Schlachten mit älteren Individuen und durch das Verhalten der Weibchen starben bereits alle Neugeborenen. Eine Schwangerschaft wurde äußerst selten und bald hörten Weibchen ganz auf, schwanger zu werden.

Die Mäuse begannen auszusterben. Die Geburtenrate blieb stabil bei Null und die Sterblichkeitsrate stieg täglich an. Mäuse wurden immer aggressiver bei absoluter Fülle an Ressourcen und Lebensraum. In Kürze wurden Fälle von Homosexualität und Kannibalismus festgestellt. Das Ende des Experiments kam am 1780en Tag, als die letzte Maus starb.

Bereits in der dritten Phase des Experiments entnahmen die Wissenschaftler einige Mäuse und setzten sie in gleichen Behälter mit denselben idealen Lebensbedingungen. Im Grunde genommen erschienen diese Mäuse in derselben Situation, wie die vier Mäusepaare zu Beginn des Experiments. Jedoch unterschied sich bereits deren Verhalten von den vier Mäusepaaren, mit denen das Experiment begann. Die Mäuse aus dem gemeinsamen Behälter weigerten sich sich zu paaren, verhielten sich passiv und widmeten ihre ganze Zeit dem Essen und Schlafen. Dies dauerte solange an, bis diese Mäuse an Altersschwäche starben.

Nach dem Ende des Experiments kam John Calhoun zu dem Schluss, dass der Beginn vom Ende für das “Mausparadies” zu der Zeit begann, als es unter idealen Existenzbedingungen für junge Individuen einfach kein Platz mehr blieb. Erwachsene Individuen, die sich nicht mehr um die Nahrungsuche zu kümmern brauchten, führten ein passiv-müßiges Leben und die Bedrängung von jungen Individuen wurde deren Hauptbeschäftigung. Im Gegenzug konnten sich junge Individuen, die von ihren Verwandten einer ungewöhnlichen Art von Aggression ausgesetzt waren, nicht an die neue “Mausgesellschaft” anpassen und es geschah mit ihnen die Tatsache, welche Calhoun als  “den ersten Tod” nannte, nämlich den geistigen Tod. Nach dem geistigen Zusammenbruch begannen junge Individuen einen passiven Lebensstil zu führen und gaben den Kampf um die Existenz und die Erfüllung ihrer sozialer Rollen auf. Nach dem ersten, dem “geistigen Tod”, folgte dann der zweite, der “physische Tod”.

Am Beispiel von Mäusen können wir also sehen, dass ideale Existenzbedingungen zum geistigen Tode sowohl des einzelnen Individuen als auch der gesamten Gesellschaft führen. Es tritt die geistige und physische Degradierung und dann das komplette Aussterben ein. Ideale Lebensbedingungen sind für die Entwicklung nicht förderlich. Man kann ein Beispiel mit dem physischen Körper des Menschen nehmen. Zu den Zeiten, wo das Auto ein Luxus war und nicht jedem zur Verfügung stand und die Menschen das Internet überhaupt noch nicht kannten, bewegten sie sich viel mehr, erhöhte körperliche Aktivität gehörte zum normalen Lebensrhythmus. Heutzutage braucht man nicht einmal das Zuhause verlassen, um mehrere Aktivitäten zu erledigen. Und falls es doch einmal notwendig wird, dann gibt es dafür ein Auto oder öffentliche Verkehrsmittel. Körperliche und geistige Aktivität wird dabei auf ein Minimum reduziert. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sämtliche Errungenschaften der Wissenschaft und Technik das absolute Übel darstellen. Überhaupt nicht. Alles, was sich in der Welt offenbart, stellt nur ein Werkzeug dar, das man sowohl zur Entwicklung als auch zur Degradierung verwenden kann.

Tatsächlich haben Fortschritte in der Wissenschaft und Technik das menschliche Leben in vielerlei Hinsicht vereinfacht, aber die andere Frage ist: weshalb ist diese Vereinfachung notwendig? Wenn es dafür dient, die Freizeit mit Unterhaltung und mit passiv-müßigem Zeitvertreib zu füllen, führt dies zu nichts Gutem. Nur wenn die Vereinfachung vieler täglicher Aktivitäten es ermöglicht, Ihre Freizeit mit geistiger und körperlicher Entwicklung zu verbringen, dann würde dies ein Segen sein.

Der spirituelle Lehrer Prabhat Ranjan Sarkar sagte bereits im letzten Jahrhundert voraus, dass der Entwicklungsgrad der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten so hoch sein wird, dass der Mensch nicht mehr als 20 Minuten pro Woche zu arbeiten brauchen wird, um sich mit allem Notwendigem zu versorgen. Man kann sich nur vorstellen, wieviel Freizeit jeder von uns dann haben würde. Die Frage ist nur, wie wir dann über diese Freizeit verfügen würden. Am Beispiel von Mäusen können wir sehen, dass das völlige Ausbleiben von Problemen und Schwierigkeiten zur Degradierung und zum komletten  Aussterben der Gesellschaft führt. Natürlich ruft niemand dazu auf, in die Steinzeit zurückzukehren, in Höhlen zu leben und sich mit sinnloser körperlich harter Arbeit zu erschöpfen. Doch die Evolution und technologischer Fortschritt müssen immer zum Wohle beitragen. Und wenn die körperlichen Probleme des Menschen gelöst sind, sollte seine Evolution die spirituell-psychische Ebene erreichen und nicht auf der Ebene der Befriedigung der vier Grundbedürfnisse stehenbleiben (Nahrung, Schlaf, Sex und Sicherheit).

Wie der Versuch mit Mäusen gezeigt hatte, führt die reine Befriedigung der Grundbedürfnisse ohne Streben nach spiritueller Entwicklung die Gesellschaft zu einem langsamen und furchtbaren Tod. Und wenn es für Tiere unvermeidlich ist, da die spirituelle Entwicklung für sie kaum in Frage kommt, dann ist es für intelligente Wesen der einzige Weg eine neue Existenzstufe zu erreichen und die nächste Evolutionsrunde abzuschließen, damit alle Errungenschaften von Wissenschaft und Technik zum Wohle beitragen und im nächsten Jahrtausend zu keiner Zeitbombe werden.

Eine konsumorientierte Gesellschaft kann auf jeden Fall zum Verhängnis werden. Wenn der Konsum von Waren und Dienstleistungen zum Ziel der Existenz wird, führt dies zum geistigen und physischen Tod. Es ist unvermeidlich. Damit in einer Zeit, in der „das menschliche Herz betrübt ist, wenn über das gesamte Leben nur der Komfort proklamiert wird“, die Entwicklung der Gesellschaft nicht zum Beginn ihrer Degradierung werde, muss diese Gesellschaft ihr Wertesystem radikal ändern und lernen, das Wesentliche vom Vergänglichen zu unterscheiden, sonst ist der Tod unvermeidbar. Das sind keine “Maus – Katzen“ Laborspiele mehr, sondern es geht um das Leben eines ganzen Planeten. Warum hieß das Experiment eigentlich “Das Universum 25″? Weil dieses „Mausuniversum” das fünfundzwanzigste in Folge war. Alle 24 vorhergehenden Versuche endeten mit demselben Ergebnis, das bereits oben beschrieben wurde. Das heißt, von 25 Versuchen, ein Paradies (mit idealen Existenzbedingungen) zu schaffen, waren alle gescheitert. Das liegt daran, dass Schwierigkeiten eine notwendige Stufe in der Entwicklung eines jeden Lebewesens darstellen. Wenn es keine Schwierigkeiten gibt, verliert überhaupt jegliche Aktivität an Bedeutung und als Folge davon, den Sinn überhaupt zu existieren. Weil der wahre Sinn des Lebens liegt darin, sich zu entwickeln und ohne Schwierigkeiten ist dies einfach unmöglich.

Kommentar des Übersetzers:

Der beschriebene Artikel befasst sich mit Tatsache, dass alles im Gleichgewicht bleiben soll. Viele Menschen merken leider nicht, dass das passiv-müßiges Leben sie zu sehr in eine Richtung drängt und es passiert ähnlich wie ein Auto, das gearde auf einer Straße fährt, plötzlich ins Schleudern gerät und sich dadurch stark zum Straßenrand abdriftet. Die Übersteuerung in eine Richtung wird einfach zu groß und solche Fahrer merken rein gar nichts, erst aber nachdem es richtig knallt. Die denken, dass alles perfekt läuft, dass sie im Wohlstand und Überfluss leben und können dabei wie Mäuse nicht nachvollziehen, was eigentlich mit ihnen passiert. Solche Lebewesen haben ein großes Maß an Undankbarkeit entwickelt und nehmen perfekte Lebensbedingungen als gegeben an. Durch das Fehlen von wahren Zielen, nach denen man sich sehnen sollte, verprassen sie dann ihre überlüssige Lebensenergie und ihre kostbaren Ressourcen für falsche Zwecke, wodurch dann anstatt von etwas Schöpfendem in der Welt eine Zerstörung auf die eine oder andere Weise entsteht. Die kostbarsten Ressourcen werden einfach vergeudet und runtergespült und das hat ernsthafte Konsequenzen. Die im Wohlstand lebenden Menschen haben aber erst dann richtig Glück, wenn sie es einmal begriffen haben, worum es in Wirklichkeit geht und anhand dieser Kenntnis können sie die Situation dann gegensteuern und ihr Lebensfahrzeug wieder gerade ausrichten. Dafür müssen sie aber erst richtig erwachen, um zu erkennen, was mit ihnen igentlich passiert.

Im Leben sollte man sich nach dem Prinzip der goldenen Mitte ausrichten. Zu viel Elend und Not ist schlecht, zu viel Sicherheit, Ruhe und Wohlstand ist ebenfalls schädlich, da es ohne wahre Ziele das gegebene Energiepotenzial nicht optimal entfaltet und genutzt werden kann. In der Natur strebt sich aber alles nach Gleichgewicht und früher oder später bringen die Gleichgewichtskräfte alles zu einer Balance. Dies geschieht in jedem Bereich unseres Lebens.

Übersetzt aus dem Russischen von Grigori Ordin

Mit freundlicher Unterstützung des russischen Yoga Clubs oum.ru