Ein fast wissenschaftlicher Beitrag zum Thema Yoga und Retreat. 

Es gibt zwei Typen der psychologischen Zeit, die „schelle“ und die „langsame“. Eigentlich ist die Rede von der Wahrnehmung der Zeit in der Sphäre der primären Aufmerksamkeit. Die Zeit wird als „schnell“ wahrgenommen, wenn die mentale Aktivität hoch ist. Stark ausgeprägte Emotionen, unabhängig ihrer Farbe, die Notwendigkeit einer schnellen Verarbeitung großer Informationsmengen, aktive thematisierte Unterhaltung, ein dichter Strom sozialer Einwirkung, ein intensiver Gedankenprozess, Prozesse der Realisation kreativer Ideen, unruhiger Verstand und so weiter, stimulieren das Wahrnehmen der Zeit als „schnell“.

Zur „langsamen“ Zeit kommt es dann dann, wenn nichts „als ob zum Trotz“ Besonderes geschieht. Eine ruhige unbefangene Betrachtung des sich langsam bewegendes Stromes der objektiven Realität ist der typische Modus der Arbeit der primären Aufmerksamkeit im Fluss der „langsamen“ Zeit. Die Dekonzentration auf der Ebene der primären Aufmerksamkeit im Fluss der „langsamen“ Zeit führt dazu, dass die Wahrnehmung die äußere „frontale Oberfläche“ der primären Aufmerksamkeit „notiert“, die sich als die „innere Oberfläche“ der Sphäre der sekundären Aufmerksamkeit erweist.

Die „langsame“ Zeit trägt dazu bei, dass die primäre und die sekundäre Aufmerksamkeit auf der Ebene der direkten Wahrnehmung „ihren gemeinsamen Nenner finden“. Die sekundäre Aufmerksamkeit ist für die Wahrnehmung und die Kontrolle des „Nagval“ zuständig, also dessen, was sich „außerhalb der Realität, die man mit Worten beschreiben kann“ befindet. Das heißt die direkte Wahrnehmung und Kontrolle auf der Ebene der Informationsmatrix und der Sphäre der Absicht-Erkenntnis. Die primäre Aufmerksamkeit ist die Wahrnehmung und Kontrolle auf der Ebene der Struktur und Energie, oder des “Tonal”.

Tibet 2016

Im Modus der „schnellen“ Zeit „rollt“ sich die primäre Aufmerksamkeit zusammen und arbeitet in einer Schleife unter Verwendung der virtuell-codierten und struktur-energetischen Ressourcen des „Tonal“. So wird die Möglichkeit des Einschaltens der Mechanismen der sekundären Aufmerksamkeit in der Sphäre der aktiven Wahrnehmung vollständig eliminiert. Auf diese Weise, um, sagen wir, einen kreativen Zugang zur Handlung aus der Ebene der „tonalen Realität“, oder des DAO, müsste man eine gewisse Zeit im „langsamen“ Modus verbringen. In diesem Fall wird die „schnelle Zeit“ des eigentlichen schöpferischen Prozesses eines bestimmten Objektes zu einem natürlichen funktionalen Ergebnis der „informationellen Arbeit“ beider integrierten Komponenten der Aufmerksamkeit, also der primären Aufmerksamkeit und der sekundären Aufmerksamkeit im Modus der „langsamen“ Zeit.

Die „schnelle“ Zeit beschleunigt den Prozess der Alterung des Organismus, da die Stoffwechselprozesse bei einer intensiven Verwendung der Systemressourcen schneller verlaufen. Ein tiefes und anhaltendes Eintauchen in die „schnelle“ Zeit kann zur Beschleunigung des Tiefenrhythmus des Organismus führen und somit zur Beschleunigung der biologischen Zeit und einem schnelleren Verschleiß der Organe und Systeme. Ein ausbalancierter Wechsel der Perioden der „schnellen“ und „langsamen“ Zeit ist eine Lebensnotwendigkeit eines konstruktiven harmonischen Handelns jedes bewussten Systems, vom einzelnen Organismus bis zu einer jeden egregorialen und zusammenhängenden Gesellschaft.

„Richtiges Tun“ kann nur dann sein, wenn es vom „richtigen Nichtstun“ ausbalanciert wird.

Die psychotronische Praxis (Yoga in seinem eigentlichen Sinn) in ihrer struktur-energetischen Beziehung ist „rückwärtig“ zum „Fluss des Lebens“. Die Psi-Praxis drückt die Feder zusammen. Die Entfaltung dieser Feder, ist der Fluss der Handlung und das Bewusstsein „im Leben“. Die Erarbeitung der struktur-energetischen Gestaltung einer neuen Qualität des Bewusstseins ist der einzige Sinn und Resultat des Lebensprozesses als solches. Die Psi-Praxis ist die einzige Möglichkeit im subjektiven Strom der Zeit „zurückzurollen“ und hat ihre „schnelle“ und „langsame“ Phase. Die „schnelle“ Phase ist die struktur-energetische Praxis (z. B. Hatha-Yoga Einheiten), die „langsame“ Phase ist die Praxis der Betrachtung (z. B. Meditationseinheiten). Das Vorhandensein vor nur einer der Phasen zerstört die harmonische Verteilung des energo-informationellen Potenzials der gesamten Praxis. So wird die Praxis profaniert und macht es nicht möglich ihre einzige Aufgabe zu erfüllen, „die Feder des Seins zusammendrücken“, um den nächsten „Sprung ins Unbekannte“ zu vollführen…Für manche auch sogar ins „Ungewisse“. Die „schnelle“ und die „langsame“ Zeit der Yoga-Praxis sind rückwärtig zur subjektiven Richtung der „schnellen“ und „langsamen“ Zeit des Prozesses der Erkenntnis im „Fluss des Lebens“.

Perioden der intensiven Praxis (intensive Trainingsintervalle) müssen so gut, wie es geht, mit „schneller“ und „langsamer“ Zeit von „federzusammendrückender“ Art gefüllt sein. Das Einschalten einer „langsamen“ und vor allem einer „schnellen“ „Lebenszeit“ in den Fluss der „Praxiszeit“ zerstört den Psi-Effekt der Praxis. Die Feder wickelt sich auseinander, bevor man sie richtig zusammengedrückt hat. Hier raus ergibt sich auch die geringe Effektivität der Durchführung von intensiven Trainingsintervalle im Modus der üblichen, parallel zu alltäglichen Dingen verlaufenden Praktikums. Viel effektiver sind Retreate, die so organisiert sind, damit sich der „geradlinige“ Fluss der „Lebenszeit“ während des Verlaufs des Retreats nicht ergeben kann. Im Verlauf der üblich verlaufenden parallel zu alltäglichen Dingen Praktikums, ist das „herausfallen“ in die „geradlinige“ „Lebenszeit“ zwischen den einzelnen Praktiken unvermeidlich.

Unter den Bedingungen eines Retreats muss das Verhältnis zwischen der „rückwärtigen schnellen“ und “der „rückwärtigen langsamen“ Zeit harmonisch sein. Zu kurze Pausen zwischen den Einheiten lassen es nicht zu, dass sich der Zustand der „langsamen rückwärtigen“ Zeit zu einstellt. Deshalb ist das optimale Schema für ein Retreat ein solches, bei dem die Pausen zwischen den einzelnen Einheiten entsprechend sind. Der, der schon mehrmals einen mechanischen Wecker aufziehen musste, weiß: lieber zu wenig, als zu viel. Das Verreißen der Feder setzt das System außer Betrieb. Es muss repariert oder ausgetauscht werden. Bei dem Erreichen einer bestimmten Dichte des „psychotronen Effekts“ verwandelt sich die Praxis in eine Waffe der Selbstzerstörung, weil das System nicht damit fertig wird, strukturmäßig und energetisch die informationellen Veränderungen, wegen unzureichender struktur-energetischen Ressourcen, zu realisieren. Jedoch ist eine Implementierung einer Korrektur auf der Ebene der Informationsmatrix der „Akt der Absicht“ – „das Kommando des Adlers“. Sich nicht unterzuordnen kann das System nicht, deshalb wird die vorhandene Ressource überverbraucht. Hier raus ergibt sich die Begrenztheit der Dauer von effektiven Retreaten und Praktika.

Zu lange Retreate* sind zerstörerisch, zu lange Praktika**, sinnlos.

*Praktikum – eine Trainings-Intensivkurs, der ohne „das Lösen“ von der alltäglichen oder Urlaubs-Realität verläuft.

** Retreat – ein Trainings-Intensivkurs, der unter Bedingungen verläuft, die den Kontakt der Praktizierenden mit der üblichen alltäglichen Realität ausschließen.

Autor: Andrey Sidersky

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