Viele von euch haben den Begriff Hatha-Yoga bestimmt nicht nur einmal gehört und oft selber benutzt. Jedoch wissen die wenigsten was eigentlich die beiden Begriffe “Ha” und “Tha” bedeuten. In diesem Kapitel aus dem Buch “Yoga – Tradition der Vereinigung” vom Andrey Lappa, dem Gründer des Universal Yoga wird die Bedeutung dieser Begriffe erläutert.

In der Tradition des Yoga sind Ha und Tha zwei gegensätzliche Eigenschaften des einen und selben Anfangs. Sie spiegeln das duale Prinzip der materiellen Welt wieder. Weil in dieser Welt alles, von den “groben” organischen Formen bis zu den “feinstofflichen” organisierenden Feldern, alles in Bezug zu einander steht und eine Art von Materie ist, besteht alles, was in dieser wirklichen Welt existiert aus Ha- und Tha-Eigenschaften.

Traditionell entspricht der Ha-Eigenschaft das Licht, die Sonne, Aktivität, Bewegung, der männliche Ursprung usw., der Tha-Eigenschaft entsprechend Dunkelheit, die Erde, Passivität, Bewegungslosigkeit, der weibliche Ursprung usw. Es ist klar ersichtlich, dass bei einer detaillierten Betrachtung jeder der unzähligen materiellen und energetischen Erscheinungen in dieser Welt diese Aufzählung grenzenlos erweitert werden kann.

Am Anfang muss man verstehen, dass Ha und Tha nicht die Materie und nicht die Energie an sich sind, sondern ihr qualitativer Zustand.

Zum Beispiel die Frage: “Die elektrische oder atomare Energie – ist das gut oder schlecht?” Keine eindeutige Frage, nicht wahr? Sie bedarf einer qualitativen Konkretisierung, denn alles hängt davon ab, wie diese Energien verwendet werden und welche Ergebnisse man dabei bekommt.

Die Antwort: „Die Energie oder Materie kann weder gut noch schlecht sein, aber sie kann über Ha oder Tha-Eigenschaften verfügen, die positiv oder negativ auf eine Erscheinung wirken können.“

Es gibt keine “unreine” Energie und es ist töricht sich von ihr befreien zu wollen oder sie zu verlieren. Sie kann sich einfach in einem ungünstigen Zustand befinden und lässt sich in einen günstigen transformieren. Das ist allerdings schon eine Frage der praktischen Erfahrung der tantrischen Energiesteuerung.

Energiesteuerung setzt das Vorhandensein einer steuernden Willenskraft voraus. Im Bezug zu ihr ist alles gesteuerte ein Instrument, Mittel oder Objekt der Steuerung.

Eine jegliche aktive Quelle des Willens drückt die Eigenschaft Ha aus und ein jegliches, passives transformiertes Objekt oder Prozess manifestiert sich in der Tha-Eigenschaft. Alle Instrumente sind dem Meister untergeordnet und werden von seinem Willensprogramm gesteuert.

Die physischen Organe, Gefühle und der Verstand des Menschen sind gesteuerte Instrumente und im Bezug zur Willenskraft verfügen sie über Tha-Eigenschaften. Der Wille kann bewusst oder unbewusst sein und entsprechend dem Bewusstsein oder Unterbewusstsein gehören.

Alle Übungen, die einer Überwindung der eigenen Unvollkommenheiten bedürfen, setzen Anstrengung, eine Manifestation des Willens und die Ha-Eigenschaft der Kraft des eigenen Geistes voraus. Alle Übungen, die mit der Entspannung des Körpers, der Gefühle und des Verstandes verbunden sind, setzen Willenslosigkeit und die Tha-Eigenschaft voraus.

Deshalb muss man verstehen, was mit den gesteuerten Instrumenten während des Trainings passiert und im welchen Zustand sich der Geist befindet. Dabei muss man den Geist in den Zustand mit den nötigen Eigenschaften für die einen oder anderen Übungen bringen.

Die physischen Organe, Gefühle und der Verstand des Menschen sind gesteuerte Instrumente und im Bezug zur Willenskraft verfügen sie über Tha-Eigenschaften. Der Wille kann bewusst oder unbewusst sein und entsprechend dem Bewusstsein oder dem Unterbewusstsein gehören.

Alle Übungen, die einer Überwindung der eigenen Unvollkommenheiten bedürfen, setzen Anstrengung, eine Manifestation des Willens und die Ha-Eigenschaft der Kraft des eigenen Geistes voraus. Alle Übungen, die mit der Entspannung des Körpers, der Gefühle und des Verstandes verbunden sind, setzen Willenslosigkeit und die Tha-Eigenschaft voraus.

Asanas, Pranayamas, Pratyahara oder Dharana – unabhängig davon, spannen Sie während der Ausführung die Muskeln an oder dehnen Sie sie, ob Sie kraftvoll oder maximal entspannt atmen, lenken Sie die Strahlen ihrer Aufmerksamkeit von dem Objekt weg oder fokussieren sie auf ihn, bedeuten Willenskontrolle, Konzentration und einen Ha-Geist.

Das Dhjana bedeutet Betrachtung der natürlichen Prozesse, die für ihren “Selbstverlauf” in einer tiefen Entspannung losgelassen werden und die “Auflösung” der Instrumente des Körpers, der Gefühle und des Verstandes, eine spontane Wiederherstellung und die Beseitigung aller möglichen Formen von Willenskonzentration und Kontrolle, bis hin zum Samadhi, eines vollkommenen Gleichgewichts in allen Systemen, das Erreichen der Einigkeit und Identifikation mit dem Objekt der Betrachtung. Das Entspricht dem Tha-Geist.

Das Training im Ha-Stil bedeutet eine grenzwertige Kraft in allen Übungen und die Konzentration des Geistes. Das ist der Kampf um eine neue Eigenschaft in allen untergeordneten Körpern. An der Grenze erreicht die Verdichtung und die Konzentration des Feuers eine kritische Größe, der eine das Wesen transformierende Explosion folgt. In diesem Stil dominieren aktive männliche Energien, Selbstbehauptung und der Kult der eigenen Stärke.

Die Technik in diesem Stil setzt eine hohe funktionale Vorbereitung voraus, die Erfahrung in der Ausübung einer Vielfalt von unterschiedlichen Kraftelementen, eine “unzerstörbare” Ausdauer, ein blitzartiges Reaktionsvermögen und eine tadellose Willenskontrolle.

Die Mehrheit der harten Stile der östlichen Kampfkünste, der südindische Stil des Bharata-Natjam Tanzes, sowohl Тensegrity gelten überwiegend als Ha-Stile.

Das Training im Ha-Stil ist einem Anstieg auf einen hohen Berg der Konzentration der individuellen Kraft des Geistes gleichzusetzen. Dieser Anstieg passiert im Verlauf des ganzen Trainings. Dabei kann ein Abfall der Konzentration herbeigeführt werden, wenn sie unausstehlich wird, jedoch nicht der ganzen Konzentration, sondern nur den Teil des unausstehlichen Überflusses.

Im Großen und Ganzen sind alle Elemente des Ha-Trainings eine Herausforderung für eine würdevolle Überwindung, für individuelle Heldentaten. Sie provozieren eine Verbesserung der Konzentration und die Stärkung der Kraft des Geistes dafür, um am Ende des Trainings „den Sprung in den bodenlosen Abgrund“ der Entspannung, der Befreiung und der Vereinigung mit der Höchsten Kraft zu vollziehen.

Das Training im Tha-Stil setzt eine deutliche Feinfühligkeit und Plastizität voraus. Die Dekonzentration des “Individuellen Geistes” bedeutet die Übergabe der eigenen Instrumente dem Höchsten Willen. An der Grenze der Streuung und der Dekonzentration des individuellen Geistes wird die Form- und die Eigenschaftslosigkeit der Leere als potentielle Eigenschaft, die alles in sich enthält, realisiert. In diesem Stil dominieren die passiven weiblichen Energien, Entsagung und Aufopferung im Namen des Triumphs der Höchsten Kraft der Einheit.

Die Technik der Übungen in diesem Stil setzt eine hohe Sensibilität, ein breites Spektrum der Wahrnehmung, die Fähigkeit demütig zu sein und sich spontan den Energieströmen hinzugeben, das Kennen der eigenen Grenzen und Weisheit voraus.

Die Mehrheit der weichen Stile der östlichen Kampfkünste, ostindische Tempeltänze (z. B. Odissi), als auch buddhistische tantrische, indische, sufische und christliche Praktiken tendieren zum Tha-Stil.

Das Training im Tha-Stil ist dem Einsturz eines Berges und der Verstreuung seiner Einzelteile in einem grenzenlosen Tal gleich. Das ist ein stufenweises Eintauchen in die Ekstase der Einigung mit dem Höchsten und die Übergabe des “Ichs” in seine Hände. Er ist verbunden mit der Befreiung von den Einschränkungen des Verstandes bis zu seinem völligen Stillstand. Dabei treten Gefühle an die erste Stelle und eine genaue Widerspiegelung aller energetischer Motivationen in entsprechenden Handlungen (Bewegungen) findet statt. Die Konzentration nimmt ab, die Weichheit, Plastizität und Natürlichkeit nehmen zu. Am Ende des Trainings wird eine vollkommene Translation des Höchsten Willens und die Identifikation mit dem Wesen der Einheit erreicht.

Der Ha-Tha-Stil setzt einen Wechsel zwischen dem Ha- und dem Tha-Stil während des Trainings, die Entfaltung von Fähigkeiten, die in der Praxis beider Stile benötigt werden und eine bewusste Auswahl einer günstigen Methode für das Erreichen des Etappenziels voraus. Das ist eine Mischung der individuellen Heldentaten mit der Ehrerbietung an das Höchste. Das ist die Entwicklung jeglicher Eigenschaften und die Erweiterung der funktionellen Fähigkeit ein jeder zu sein. In diesem Stil dominiert die Harmonie der aktiven männlichen und der passiven weiblichen Energien als Realisation der Einigkeit des Individuellen und des Allgemeinen.

Wenige der auf der Welt existierenden Schulen streben eine enge Spezialisierung der Integration der ganzen in der Vergangenheit angesammelten Erfahrung und die Harmonie des Allumfassens an. Als Beispiel dient das Aikido, das indische Hatha-Yoga, manche altertümliche und fast verlorene Traditionen des Donau-Dnestr Gebietes, Ägyptens, Mesopotamiens und Skandinaviens, die wenigen wahrhaften Adepten der israelischen Schulen und des Nahen Ostens, sowohl die „Meister-Polyglotten“, die aus allen möglichen Schulen der Welt hervorgegangen sind.

Es ist schwierig die besonderen Unterschiede des Ha-Tha-Stiles im Bezug zu den Ha- und Tha-Stilen deutlich zu machen. Man kann aber anmerken, dass er eine optimale Mischung der besten Eigenschaften der gegensätzlichen Extreme des Ha und des Tha ist. Ein Gleichgewicht zwischen beiden bringt die Entfaltung der dritten Eigenschaft des “Mittleren Weges”, der nicht dem ersten, nicht dem zweiten ähnlich ist und über einen absoluten Vorteil verfügt.

Es ist klar, dass die Ha- und Tha-Stile nur Markiersteine sind, die es erlauben die Pole der Orientierung und der Entwicklung des Trainings vorzugeben. Es existieren aber unzählige Varianten der Ha-Tha-Modi des “Mittleren Wegs” dazwischen, die eher zu einem oder anderem Pol am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Trainings tendieren, oder eine stabile und unveränderbare Proportion des Ha-Tha während des ganzen Trainings aufrechterhalten.

Übersetzung aus dem Russischen: Eugen Minz