Skoliose und Yoga – Erfahrungsbericht von Anastasia
Als ich 12 Jahre alt war entdeckte meine Mutter eine Kurve in meinem Rücken, sie dachte sofort an Skoliose. Wir fuhren ins Krankenhaus, wo mein Rücken geröntgt wurde. Auf den Röntgenbildern war deutlich zu erkennen, dass ich eine Skoliose habe.
Skoliose kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet übersetzt „Bogen, Krümmung“. Dieser Ausdruck wurde von dem griechischen Arzt Hippokrates benutzt um damit die laterale (seitliche) Krümmung der Wirbelsäule zu beschreiben. Eine häufige Abweichung von der Norm sieht so aus, dass die Brustwirbelsäule eine seitliche Kurve einnimmt. Um die Balance zu behalten reagiert der Körper mit einer Kurve in die entgegengesetzte Richtung, direkt über und unter dieser Hauptkurve. Betroffen sind vor allem Mädchen in der Pubertät.
Dazu kommt oft noch eine Drehbewegung, die die Skoliose vorantreibt. Die Rippen auf der Brustseite sind dann nicht nur nach außen gedrückt, sondern auch nach hinten. Gut zu erkennen ist der daraus entstehende leichte Buckel, wenn sich Betroffene beim Adams-Test, den die Ärzte bei der Diagnose durchführen, nach vorne beugen. Eine andere häufig gesehene Abweichung ist eine Verschiebung des Beckens, bei der eine große Kurve im Lendenwirbelbereich zu finden ist.
Skoliose kann viele Ursachen haben. Sie kann vererbt werden oder entsteht durch eine Blockade der Cerebrospinalflüssigkeit im Fötus. Am häufigsten entsteht sie in der Pubertät, wenn Jugendliche schnell wachsen. Dies war bei mir der Fall. Sie kann außerdem als Folge einer chronischen Fehlhaltung, durch unterschiedliche Beinlängen oder durch Unfälle verursacht werden. Leichte Formen von Skoliose kann man oft mit Physiotherapie oder einem Korsett behandeln, schwere Fälle dagegen müssen meist operiert werden.
Ich selbst bekam ein Korsett angefertigt, das ich 23 Std. täglich tragen musste. Die Ärzte rieten mir ich sollte es bis zum 18. Lebensjahr tragen. Doch ein Besuch in Russland veränderte mein Leben. Mein Onkel fuhr mich und meine Eltern zu einer alten Dame, die sich mit Einrenkungen und Therapien der Wirbelsäule beschäftigte. Durch die Behandlung bei ihr wurden meine Symptome deutlich besser und auf ihren Rat hin, haben meine Eltern mich von dem Korsett erlöst.
In Deutschland waren wir dann bei vielen verschiedenen Heilpraktikern und Osteopathen. Einer der Osteopathen, machte mich dann auf Yoga aufmerksam.
Bei Yoga für Skoliose-Leidende geht es nicht in erster Linie um das Heilen der Skoliose, sondern darum die Lebensqualität trotz dem Ungleichgewicht in der Wirbelsäule möglichst hochzuhalten. Ziel ist es Freiheit in der Bewegung dazuzugewinnen und den Störfaktor Asymmetrie zu verbessern. Durch harte Arbeit kann zwar die Haltung optimiert werden, aber nur durch regelmäßiges Üben kann die Verbesserung auch langfristig erhalten werden.
Hierfür ist Yoga eine wunderbare Methode, da es eine praktische Disziplin darstellt, in der wir uns ständig selbst wahrnehmen und verbessern können. Das großartige am Yoga ist, dass jeder damit anfangen kann, unabhängig von seinem Alter, Lebensumständen und körperlicher Fitness. Alle Asanas (Haltungen) können angepasst, vereinfacht oder unterstützt werden durch den Gebrauch von Hilfsmitteln wie Blöcken, Gurten, Seilen, Decken und dicken Kissen. Die verschiedenen geometrischen Formen, die wir in den Asanas üben funktionieren wie Fallstudien: Wie reagiert mein Körper in dieser Haltung? Wie kann ich meinen Körper in die entsprechende Ausrichtung bringen? Besonders in Haltungen in denen wir jeweils die rechte und linke getrennt halten, zeigen sich etwaige Unterschiede unmittelbar.
Und es geht noch weiter: Was in einer Haltung gelernt wird, kann auf die nächste, unter Umständen schwierigere und komplexere Übung übertragen werden. So wie wir ohne Unterlass nach Verbindung suchen, existiert auch eine ständige Kommunikation zwischen dem Intuitiven und dem Analytischen Geist, zwischen Atem und Körper. In Körperregionen, in die unsere Aufmerksamkeit normalerweise nur schwer durchdringt, stoßen wir mit Yoga erst vor und erreichen schließlich auch dort ein Gefühl von Balance und Fülle. Auch das Leben fühlt sich so auf einmal reicher an als zuvor. Iyengar sagte: „Wo keine Konzentration ist, ist kein Leben.“ In den dunklen Teilen unseres Seins, die sich manchmal wie gepresst anfühlen können, schaffen wir Raum und füllen das geschaffene Vakuum mit neuem Leben und Prana (Lebensenergie). Die Atemübungen (Pranayama) spielen eine wichtige Rolle dabei, inneres Gleichgewicht herzustellen und zu erhalten. Menschen mit Skoliose haben oft keine exakte Vorstellung davon, wo sie richtig oder falsch ausgerichtet sind. Yogahaltungen wie stehende Seitbeugen oder liegende Haltungen können uns mehr Körpergefühl lehren und die Möglichkeit geben damit Dysbalancen auszugleichen. Im Yoga üben wir, in den Haltungen zu bleiben, um idealerweise Gelassenheit in ihnen zu finden, um durch Anstrengung Leichtigkeit zu finden.
Wichtige Asanas bei Skoliose:
* Alle Haltungen in Rückenlage, weil hier der Boden ein entscheidendes Feedback über den Rücken gibt. Der Kontakt der Rippen, Schultern, Flanken, Taille und Becken erzählt uns, was wir in Balance bringen müssen. Bein – und Armdehnübungen in Rückenlage, trainieren und unterstützen die freie Beweglichkeit der Gliedmaßen (Supta Padangusthasana)
* Unterstützte Vorbeugen: Zum Beispiel Vorbeugung unterstützt von einem Stuhl. Hier wächst unsere Aufmerksamkeit gegenüber der vorderen Krümmung und einer schwachen Rückenmuskulatur. Arm und Beindehnungen führen schließlich zum herabschauenden Hund (Adho Mukha Svanasana, Chaturangasana, Janu Shirshasana)
* Drehungen der Wirbelsäule, um die Rippen, die Wirbel und das Becken aus ihrer Krümmung zu entlasten (Parsva Virasana)
* Seitliche Planken, entweder auf dem Ellenbogen oder stehend auf einer Hand, stärken die linke und rechte Seite des Körpers.
Wenn wir die Übungen statisch halten, anstatt in einem Flow zu sein, müssen die Muskeln statisch arbeiten. Bei einer Skoliose müssen einige Muskeln im Rumpfbereich mehr kontrahieren, andere werden dagegen gedehnt. Durch diesen einfachen Mechanismus können wir der Skoliose entgegenwirken. Wir werden körperlich kräftiger und gewinnen gleichzeitig eine mentale Stärke, die uns dabei hilft, die richtige Haltung beizubehalten und der Skoliose langfristig entgegenzuwirken.
von Anastasia, Absolventin der Yogalehrerausbildung 200h bei der Yogaschule Minz