Wie sieht es mit dem Yoga für Männer aus? Das das Yoga etwas nur für Frauen ist, ist leider ein im Westen festgefahrenes Klischee.
Viele halten Yoga für eine Beschäftigung ausschließlich für Frauen. Ist das tatsächlich so? Wenn man/Mann Yogakurse anschaut, bilden da in der Regel überwiegend Frauen die Mehrheit. Deshalb könnte man/Mann denken, dass dies so ist. Es sollte klar gestellt werden, dass diese Erscheinung nur in den westlichen Ländern anzutreffen ist. Im Osten und insbesondere in Indien, wird Yoga hauptsächlich von Männern praktiziert. Die überwiegende Mehrheit der bekannten Lehrer und Meister des Yoga sind ebenfalls Männer. Außerdem wurde Yoga ursprünglich nur von Männern ausgeübt. Es gab und gibt also ein Yoga für Männer. Es erfordert große körperliche und geistige Kraft, Ausdauer, Entschlossenheit, Standhaftigkeit, die Fähigkeit, die Gefühle zu kontrollieren, sich zu konzentrieren, etwas zu opfern, logisch zu argumentieren. All das sind die Fähigkeiten, die überwiegend Männer besitzen, oder?
Mit der Verbreitung des Yoga im 20. Jht. nach Westen, ist der eigentliche Schwerpunkt, die geistige Praxis, verloren gegangen. Yoga wird immer mehr als ein System der physischen Selbstverbesserung betrachtet. Yoga erscheint als eine Unterart der Gymnastik, die auf Flexibilität und Weichheit des Körpers zielt. Männer sind jedoch pragmatische Wesen. Warum sollten sie sich dehnen? Ein durchtrainierter Körper, selbstsicheres Auftreten und eine gute Schlagtechnik sind doch viel nützlicher.
Lassen Sie uns sehen, was Yoga uns geben kann.
Stärke: Vor Yoga hielt ich mich für einen ziemlich starken. Mann und hatte bereits eine langjährige Sporterfahrung. Für mich war es dann eine sehr unangenehme Entdeckung, dass ein relativ schmächtiger Yoga-Lehrer viel besser die Kraft-Asanas ausübt, als ich. Tatsache ist, dass die statischen und dynamischen Belastungen unterschiedliche Muskelfasern trainieren. Zum Beispiel lernen die Adepten der Kampfkünste zunächst stundenlang in statischen Posen stehen zu bleiben, um somit eine Art Sprengkraft aufzubauen, um danach mit Händen, oder Füßen die Holzbretter und Steinplatten zu brechen. Damit will ich nur sagen, dass in Yoga der Kraft-Aspekt selbstverständlich auch inbegriffen ist. Wichtig ist eine richtige Reihenfolge von Asanas zu wählen.
Ausdauer: Ein eineinhalbstündiger Unterricht schien mir zunächst endlos zu sein. Irgendwo in der Mitte des Unterrichts machte ich schlapp. Ich wusste nicht, wie man sich entspannt und verwendete die falsche Atemtechnik. Die Asanas flossen ineinander und es war unmöglich, stets angespannt zu bleiben. Zuerst werden bestimmte Teile des Körpers angespannt, danach andere. Hier kann eine gute und auf einen Punkt gerichtete Aufmerksamkeit behilflich sein. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass ich genauso lebe, wie ich mich auf der Matte verhalte. Wir als Männer, versuchen stets gesammelt zu sein, bereit für jegliche Bedrohung. Das führt zu einer großen Anstrengung und einer nervlichen Anspannung. Man muss jedoch auch in der Lage sein, sich rechtzeitig entspannen zu können. Das hat mir das Yoga beigebracht. Keine andere Sportart richtet so viel Aufmerksamkeit auf die Atmung, obwohl es eine der wichtigsten Funktionen unseres Körpers ist. Mit Hilfe einer richtigen Atmung, ist man in der Lage, die gefühlte Belastung zu verringern, falsches Atmen dagegen, kann die die Ausübung erheblich erschweren. Die Erkenntnisse darüber ermöglichen eine große Ausdauer zu entwickeln.
Flexibilität: Das erste, woran wir denken, wenn wir das Wort „Yoga“ hören – „Dehnen“, aber die meisten Männer ignorieren diesen Aspekt, wenn sie ihr Training planen, deswegen sind ihre Muskeln sehr starr und oft verhärtet. Dies führt zu erheblichen Beschwerden und kann sogar Schmerzen verursachen, vor allem, wenn es zum „Übertrainieren“ kommt. Daher ist es sehr wichtig, sich stets vor und nach einem Krafttraining angemessen zu dehnen. Wenn Sie eine Kampsportart betreiben, dann ist Yoga genau das, was Sie brauchen. Die Entspannung der Rücken- und Armmuskulatur macht Sie um einiges gelenkiger und ihre Schläge um einiges schneller. Man muss verstehen, dass der Körper und der Geist zwei Teile eines Systems sind. Ein gelenkiger Körper, macht auch den Geist flexibler, beweglicher. Dieser lässt dann eine Situation aus verschiedenen Sichtwinkeln betrachten, spielt mehrere mögliche Ausgangssituationen durch, gibt einen kreativen Ansatz für Problemlösungen. Ein flexibler Geist ist Ihr Vorteil.
Balance/Gleichgewicht: Balance-Asanas verbessern die Kontrolle und die Koordination des Körpers. Dadurch lassen Sie Gegenstände seltener fallen und rutschen vielleicht weniger aus. Der Körper erreicht mehr elastische Stabilität und zusammen mit einem guten Muskeltonus, einer richtigen Atmung und beweglichen Hüftgelenken bekommen Sie einen federnden, schwebenden Gang. Alle Ihre Bewegungen werden leichter und geschmeidiger.
Am Anfang haben wir erwähnt, dass Yoga kein Turnunterricht ist, sondern geistige Praxis. Das heißt, alle oben genannten physischen Aspekte sind inbegriffen, aber sekundär. Primär im Yoga ist unser innerer, oder der geistige Zustand.
Willenskraft: Sicherlich ist bei Yoga eine große Willenskraft die Voraussetzung. Das anhaltende Ausüben der Asanas stärkt auf alle Fälle den Willen. Wenn wir trotz manchen Beschwerden, oder einem Diskomfortgefühl im Körper während der Ausübung von Asanas durchhalten und weitermachen, trainieren wir unseren Willen. Wir werden fähig erhebliche Anstrengungen besser zu bewältigen, unser Charakter ist auf dem Weg zur Perfektion.
Selbstdisziplin: Yoga ist kein Spaziergang. Um gute Ergebnisse zu erzielen, ist eine strenge Disziplin erforderlich. Dazu zählen, ein fester Tagesablauf, gesunde Ernährung, ein bestimmter Rhythmus der eigenen Praxis, Konzentration und Aufmerksamkeit. Um sich das anzueignen, muss man sich natürlich bemühen. Ich habe aber noch keine einzige Person kennengelernt, die ohne Disziplin etwas im Leben erreicht hat.
Konzentration: Yoga lehrt uns im „hier und jetzt“ zu sein, konzentriert zu sein bei dem, was wir gerade tun. Übst du die Asanas aus, kontrolliere deinen Körper, beobachte deinen Geist und deine Atmung, ohne abgelenkt zu sein. Mit der Zeit gewöhnt sich der Geist an solche Konzentrationen und wird fähig, sich auf ein Objekt für eine längere Zeit zu richten. Das macht uns effektiver in allem. was wir tun. Dies ist eine sehr nützliche Fähigkeit, vor allem in der heutigen Welt, in der es viele Ablenkungen durch eine sehr hohe Menge an überflüssiger Information gibt. Oft zerstreuen wir unsere Aufmerksamkeit und erreichen daher seltener unserer Ziele. Die Gesamtkonzentration hilft uns alle Ressourcen zusammenzubringen.
Gelassenheit: Die Männer in der modernen Welt sind sehr oft Stress ausgesetzt und beteiligen sich eher an Konflikten. Sie erleben täglich einen bestimmten psychischen Druck. Sportler, die an Meisterschaften teilnehmen, werden mich gut verstehen. Yoga hilft uns auf körperlicher und auf geistiger Ebene zu entspannen. Man schläft ruhiger und tiefer, morgens fühlt man sich wirklich ausgeruht und ist in der Lage entschlossen zu handeln. Werden die Blockaden aus dem Körper entfernt, werden auch Ängste reduziert, die unseren Geist quälen, weil, wie bereits erwähnt, es zwei Teile desselben Systems sind. Ein flexibler Geist reagiert ganz gelassen auf Konflikte und ist weniger anfällig für Stress. Bei denjenigen, die regelmäßig Yoga praktizieren, steigen die Stressresistenz und die Leistungsfähigkeit bemerkbar.
All diese Aspekte haben eine entscheidende Bedeutung für Männer. Stellen Sie sich einen unruhigen Mann vor, der bei dem geringsten Problem in Wut ausbricht. Zumindest ist es seltsam, nicht wahr? Oder stellen Sie sich eine unkonzentrierte Person vor, die keine Handlung richtig zu Ende bringen kann. Es ist auch nicht schön. Oder stellen Sie sich jemanden ohne Selbstdisziplin und Willensstärke vor, der einer Sucht ausgesetzt, oder von etwas abhängig ist. So einer, verdient Mitleid. So kommen wir zu dem Entschluss, dass es ist sehr naiv zu glauben ist, dass Yoga ausschließlich eine Beschäftigung für Frauen ist.
Jedoch lauern auf dem Weg zum Yoga-Studio eine Menge Hindernisse. Einer davon sind Vorurteile. Was werden die anderen über mich denken? Was sagen meine Freunde und Kollegen dazu? Diese Gedanken müssen wir versuchen zu überwinden. Nach ein paar Monaten strahlen Sie so eine Ruhe und Kraft aus, die Ihre Freunde dazu bewegt auch am Unterricht teilzunehmen. Der zweite Punkt, ist ein Gefühl der eigenen Selbstinkompetenz. Was auch immer Sie vorher trainiert haben, werden Sie bei Ihrem ersten Unterricht immer Menschen treffen, die Asanas besser als Sie ausführen werden. Das ist in Ordnung. Konzentrieren Sie sich auf sich selbst, befinden Sie sich im „hier und jetzt“. Glauben Sie mir, niemand sieht Ihnen zu. Yoga ist eine persönliche Praxis. Wenn Sie sich schließlich gar nichts zutrauen, dann versuchen Sie individuelles Training bei einem kompetenten Yogalehrer zu besuchen, bis Sie bereit sind, in der Gruppe zu arbeiten.
Yoga ist etwas für Männer! Wir sehen uns auf der Matte! OM!
Der Autor des Artikels ist Anton Smirnov, Yogalehrer
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